Eine Wunderschöne Historie Von dem gehörnten Siegfried,

Was wunderlicher Ebentheur dieser theure Ritter ausgestanden, sehr denkwürdig und mit Lust zu lesen.

Aus dem Französischen ins Teutsche übersetzt, und von neuen wieder aufgelegt.

Braunschweig und Leipzig, 1726.

Eingang Dieser Denkwürdigen Historia.

Es wird in vielen Historien gelesen, wie, daß König Artus aus Britannien, zu seiner Zeit, so eine herrliche Hoffhaltung mit den allerwerthesten Rittern, so zu der Zeit gelebt, gehalten habe, den der Taffel-Runde; von demselben ist auch zum Ritter geschlagen der vortreffliche noch junge Herr Wigoleiß vom Rade, der dann kurtz darauf, in seinen noch blühenden Jahren, die allervortrefflichsten Abentheuer ausgestanden, das kaum zu glauben ist, indem 2a er nicht allein Riesen und andere Ritter getödtet, und etliche gezwungen, daß sie seinen Willen erfüllen, und selbsten die Zeitung nach der Tafelrunde bringen müssen, daß sie von ihme überwunden wären; sondern er hat auch noch über das den ungeheuren Drachen Pyton, damit wohl ein gantzes Heer zu thun gehabt hätte, getödtet. Wie auch den verzauberten Wurm und Drachen, oder vielmehr lebhafften Teufel, Boland, mit grosser Mühe und Arbeit überwunden, und endlich den Erz-Zauberer Roas nach sehr hartem Gefechte, in seinem eignen Schlosse und Pallast, mit aller seiner Ebentheur ein Ende gemacht, und dasselbe gantze Land und Königreich Tarodus wieder an seinen rechten Erben gebracht, nämlich an die überaus schöne und holdselige Jungfrau La-2briä, des Königs Tochter, die er auch (Herr Wigoleiß) nach seiner grossen und überaus schweren Mühe, Arbeit und Gefahr, zur Vergeltung, benebst dem gantzen Königreich und Ländern, überkommen. Wie solches weitläuffig in der Ebentheuerischen Historia von Herrn Wigoleiß nach der Länge mit aller Lust und Ergötzlichkeit wol zu lesen. Fast dergleichen ist folgende Historia, zu welcher wir uns ohne fernere Weitläuffigkeit wenden wollen.

3a Wie Siegfried vom König Sieghardo gebohren, von seinen Eltern wegziehet, und wie es ihm ergangen.

Um die Zeit, da der theure Held und Ritter, Herr Wigoleiß, (dessen wir im Eingange gedacht) lebete, wohnete in den Niederlanden ein König, mit Nahmen Sieghardus, derselbe zeugete mit seiner Gemahlin einen einigen Sohn, genannt Siegfried, was derselbe vor Ebentheuer und Gefahr ausgestanden, werdet ihr hernachmahls hören.

Der Knabe ward groß und starck, darum er auch weder auf Vater noch Mutter etwas gabe, 3b sondern nur allezeit damit umgieng, wie er sein eigen, und wie man sagt, ein Freyherr werden möchte, darob seine Eltern grosse Sorge hatten.

Wie aber der König deßwegen mit seinen Räthen Raths gepflogen hatte, und dieselbe dem König riethen, wann ja der Sohn nicht bleiben wolte, solte man denselben ziehen lassen, dann er was ausstehen, und endlichen sich eines besseren bedencken möchte, vielleicht würde noch ein braver Held aus ihme. Ob nun wohl der König ungerne dran wolte, ward doch endlich beschlossen, man solte den Knaben ziehen lassen. Siegfried kunte der Zeit nicht erwarten, biß ihn der Vater ausmundiret hatte, sondern zog ohne Urlaub davon, sein Ebentheuer zu versuchen. Indem er nun durch manch Gehöltz und Wildniß gehet, und ihm der Magen begunte hungrig zu werden, siehet er ohngefehr vor einem dicken Gehöltz ein Dorff liegen, daselbst gieng er hin. Nun wohnete nechst vor dem Walde aussen vor dem Dorff ein Schmidt, zu dem machte sich Siegfried, spricht denselben an, ob er keinen Jungen oder Knecht von nöthen, dann Siegfried muste es jetzunder machen, wie er kunte, weil er des Hungers nicht gewohnet, denn er fast in zwey Tagen nichts gessen, und starck gegangen war. Darzu schämete er sich, wieder nach Hause zu lauffen, auch war der Weg zu fern. Aber er hat des Hungers wohl besser gewohnen müssen, als er seine gröste Abentheuer ausstehen müssen, wie man hernach hören wird. Der Schmidt aber, als er sahe, daß Siegfried wacker starck an-4azusehen, läst sichs gefallen, giebt ihme Essen und Trincken, dessen Siegfried wohl bedurffte. Weil es nun fast Abend war, läst er ihn zu Bette weisen. Am Morgen aber ruffte der Meister den Jungen oder Knecht, und führet ihn zur Arbeit, will sehen, wie er sich dazu schicke, da werdet ihr nun Wunder hören, wie er sich dazu angelassen hat.

Wie Siegfried das Eisen entzwey, und den Amboß in die Erde schlägt, dessen der Meister erschrack.

Wie nun der Meister seinen neuen Jungen oder Knecht zur Arbeit angespannet, schlägt derselbe mit so grausamer Stärcke auf

das Eisen, daß er davon entzwey, und der Amboß fast halb in die Erden sanck, dessen der Meister sehr erschrack, und Siegfrieden beim Kopffe nahm, und ihn ein wenig zausete. Siegfried, der solches Dings nicht gewohnet, und deßhalben erst neulich von 4b seinen Eltern weggegangen war, weil er keinen Zwang leiden kunte, wiewohl es des Vaters Wille nicht war, weil aber die Räthe Siegfrieden gerne wolten loß sehn, hatten sie dem König dazu gerathen. Wie nun Siegfried seines Meisters Schläge nicht länger erdulden kunte, nimmt er denselben beym Kragen, und wirfft ihn wider Gottes Boden, daß er sich in langer Zeit nicht besinnen kunte. Wie er aber zu sich selber kam, winckte er seinem Knecht, daß er ihm zu Hülffe kommen solte. Denselben empfänget Siegfried eben, wie seinen Meister, darumb derselbe auf Mittel und Wege bedacht war, wie er Siegfrieden wieder loß werden möchte.

Wie der Meister Siegfrieden in den Wald sendet, in Meynung, daß er nicht wieder kommen solte.

Da nun gehörter maassen der Meister und sein Knecht von Siegfrieden wacker Stösse empfangen, musten sie sich zu Bette legen. Wie nun die Nacht vergangen, und der Tag begunte anzubrechen, rufft der Meister Siegfrieden, und spricht zu ihm: Ich bin anitzo Kohlen sehr benöthiget, drum must du in diesen Wald gehen, und mir einen Sack voll holen, dann es wohnet ein Köhler darinn, mit dem ich allezeit meine Handlung habe. Er meynte aber, der Drache, der sich in dem Walde bey einer Linden (dahin er Siegfrieden weiset) aufhielte, solte ihn tödten und verschlingen. Siegfried gehet ohn alle Sorge in 5a den Wald, nicht anders gedenckend, daß er Kohlen holen wolte. Indem er aber zu der Linden kömmt, siehe, da kömmt der ungeheure Drache auf ihn daher, ohne Zweifel ihn zu verschlingen. Siegfried bedencket sich nicht lange, sondern den ersten Baum, der ihm zu handen kam, reißt er aus der Erden, und wirfft denselben auf den Drachen, der sich denn alsobald mit seinen Schwantz in die Telgen oder Aeste der Bäume verwickelt oder verschürtzet, daß er nicht ledig werden kunte, dessen sich dann Siegfried zu seinem Vortheil wohl zu gebrauchen wuste, dann er mehr und mehr Bäume ausriß, und auf das Gewürme (deren mehr kleine da waren) warff. Läufft damit eilends zum Köhler, nimmt Feuer, und zündet die Bäume über dem Gewürme an, daß sie alle verbrenneten. Da floß das Fett als kleines Bächlein dahin. Siegfried tauchet den Finger in das Fett, wie dasselbe erkaltet, wird es ein hartes Horn. Als Siegfried solches gewahr wird, ziehet er sich gantz nackend aus, und überstreicht damit den gantzen Leib, ohne zwischen den beyden Schultern oder Achseln, dahin kunte er nicht wohl kommen, daß ihm dann auch endlich sein Leben an demselben Orte gekostet, wie ihr hernachmahls hören werdet. Dieses ist die Ursache, daß man ihn den gehörnten Siegfried genennet hat.

Wie Siegfried sich an des Königs Gibaldus Hoff begiebt, und was daselbst vorgegangen.

5b Wie nun Siegfried sich aller Orten hörnigt befand, gedacht er, du kanst hinführo wohl ein anderer Cavallier (wie man itzo redet) werden, begiebt sich demnach von dannen an des weitberühmten Königs Gibaldus Hoff. Von

demselben ward er auf- und angenommen, lieb und werth von jedermänniglich gehalten, daß er auch zuletzt, doch mit grosser Ebentheur, des Königs Tochter überkam.

Dieser König Gibaldus wohnete und hielt zu der Zeit Hoff zu Worms am Rhein, und hatte drey Söhne, und eine überaus schöne Tochter. Nun begab sichs einmahl an einem heissen Mittag, daß die Jungfrau sich an ein Fenster stellete, und1 frische Lufft zu schöpffen, siehe, da kommt ein grosser ungeheurer Drache daher geflogen, daß es nicht anders schiene, als ob die Burg gantz im Feuer stünde, und führet die schöne Jungfrau 6a Florigunda mit sich in die Lufft hoch über das Gebürg hinweg, daß man seinen Schatten über eine viertel Meile auf dem Gebürge sehen kunte.

Da sahe man Vater und Mutter mit solchen Aengsten umgeben, daß es nicht zu beschreiben ist. Vornehmlich weinete die Mutter Tag und Nacht, daß sie gantz blöde Augen überkam.

Wie nun der Drache die Jungfrau auf den Drachenstein gebracht hatte, da legte er ihr sein Haupt in den Schooß, und entschlieff. Weil demnach seine Stärcke über alle Maassen groß war, so erschüttert der Drachenstein ob seinem Odenholen. Nun möget ihr leicht gedencken, wie der Jungfrau muß zu Muthe gewesen seyn, bey solch einem scheußlichen Wurm zu wohnen, was vor Hertzens-Angst und Wehklagen sie daselbst geführet, ist nicht zu beschreiben.

6b Dieser Drache ward einem2 Oster-Tag zu einem Menschen, da sprach die Jungfrau zu ihm: Vielwerther Herr, wie übel habt ihr bey mir, bey meinem hertzlieben Vater, Mutter und vielgeliebten Brüdern gethan. Weil es dann nun so manchen Tag, seit ihr mich hieher geführet, als wolt ich gern meinen hertzvielgeliebten Vater, Mutter und Gebrüder sprechen, wollet ihr mich wieder dahin führen, so will ich euch festiglich angeloben, daß ich wiederum mit euch hieher auf diesen Stein kommen will, oder wohin ihr mich sonsten wolt führen, will ich gerne folgen. Da sprach der Ungeheur zu der Jungfrauen: Du bittest vergeblich, dann du wirst nicht allein deinen Vater, Mutter und Brüder nicht mehr sehen, sondern auch keinen eintzigen Menschen nimmermehr. Das war der Jungfrauen ein Donnerschlag in ihrer Seel und Hertz. Wie nun die Jungfrau in Aengsten und Todes-Schrecken sasse, und kein Wort mehr reden kunt, sprach er zu ihr: Du darffst dich so sehr nicht grämen, vielweniger dich meiner schämen, dann heute über fünff Jahr werde ich wieder zu einem Manne, also must du noch mit mir beuten fünff Jahr und einen Tag, alsdann wirst du meine Frau, wornach du dich zu richten, dann du must doch mit mir zuletzt noch der Höllen zu, da dann ein eintziger Tag ein gantzes Jahr seyn wird. Wie die Jungfrau die erschreckliche Worte hörte, fehlet wenig, sie wäre in eine Ohnmacht gesuncken, dann sie war alle zitternd. Ruffet doch GOtt im Himmel von gantzem Hertzen inniglich 7a an, getröstet sich seiner theuren Zusag und Verheissung aus GOttes Wort, und bittet von Hertzen, Er wolle doch zum wenigsten ihre Seele (die Er nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem theuren Blut erlöset) bewahren, und da es sein gnädiger Wille sey, von dieser schweren Gefängnis erledigen und befreyen. Weiter sprach die Jungfrau: Ach, daß meine Brüder mein Gefängnis wüsten, ich weiß, sie hülffen mir wieder hiervon, oder liessen ihr Leben drum. Ingleichen mein hertzlieber Vater würde sein äusserstes dran wagen. Mich erbarmet über alle maassen meine hertzvielgeliebte Frau Mutter, ich weiß, daß sie alle Tage, so wohl als ich, das rote Blut aus ihren Augen weinet.

Das Geschrey und jämmerliche Klage trieb das tugendsame Jungfräulein zu Tag und Nacht, daß sie zum öftern gantz Krafftlos in eine Ohnmacht darnieder sanck.

Hier sendet der König Bothen aus in alle Lande, seine Tochter Florigunda zu suchen.

Wie sich nun der König und seine Gemahlin lang genug gehärmet und Leid getragen hatten, wurden sie Raths, und sandten Bothen aus in alle Lande, die seine Tochter Florigunda suchen solten. Da sie dann etlicher maassen Kundschafft erlangten, daß ihre Tochter auf dem Drachenstein von dem Drachen verwahrt gehalten würde, und aber, daß sie niemand, als ein eintziger Ritter mit 7b unerhörlicher Ebentheuer und Gefahr erlösen möchte.

Indessen verlieffen sich bey vier Jahr, daß die Jungfrau auf dem Steine verharren muste. Und ich glaube gäntzlich, solte das fünffte Jahr auch hingeschlichen seyn, es würde mit der Jungfrau nicht zum besten abgelaufen seyn.

Nunmehr war Siegfried zu seinem männlichen Kräfften kommen, also, daß er die Bären und Löwen fienge, dieselben zum Gespött an die Bäume henckete, darob sich männiglich verwunderte. Eines Tags war Siegfried um Kundschafft der schönen Florigunda etwas fern ausgeritten, da begegnet ihm in einem engen Wege ein grosser Bär, denselben fiel er männiglich an, tötet ihn, und hencket ihn hernach an den nechsten Baum, denn das war sein Gebrauch. So begab sichs 8a auch, daß der König Gibaldus mit seinem Hoffgesinde war auf die Jagd geritten, seine melancholische Gedanken etwas zu vertreiben, da war er etwas fern von seiner Gesellschaft in den Wald unwissend kommen, und war niemand bey ihm,

als Siegfried, der stets um ihn war, da begab sichs, daß ein grosser, starcker Eber auf den König zulieff. Der König wolte ihn mit seinem Spieß erstechen, aber Siegfried kam ihm zuvor, und schlug den Eber mit seinem Schwerdt den Kopff von einander, daß er todt zur Erden fiel, darob sich der König verwundert.

Wie nun das Lob von dem edlen Siegfried sich weit und ferne in allen Landen ausbreitet, ward der König Gibaldus demselben mehr und mehr gewogen. Nicht lange darnach kam der König aus Franckreich, der König aus Spanien, der 8b König aus Engelland, Schottland, und andere mehr zu dem König Gibaldo, ihme und seine Gemahlin wegen ihrer Tochter zu trösten. Da ließ er ein Thurnier und Stechen ausschreiben, damit er sehe, wie Siegfried sich dazu schickte. Dann er setzte alle seine Hoffnung auf denselben, weil er hörte, daß sein Lob schon in fernern Landen ausgebreitet war. Demnach wartet ein jeder auf den bestimmten und angesetzten Tag, damit man sehe, wer das beste auf den Thurnier thun, und das Lob davon tragen würde.

Wie an des Königs Gibaldus Hof ein Thurnier gehalten, darinn Siegfried den Preiß erlanget.

Als nun der angesetzte Tag herzu nahete, kam ein jeder wohl gewapnet und gerüstet auf den Kampff-Platz, da ward die Bahne gleich gethei-9alet, also, daß keiner vor dem andern einigen Vortheil hatte. Nun solten wir wohl von einem jeden Ritter insonderheit Meldung thun, aber das würde viel zu lang werden. Wir seyn aber geflissen, diese Historie auf das allerkürtzeste zu beschreiben. Wer aber von dergleichen Ritterlichen Stechen Luft und Liebe zu lesen hat, der findet solches im Kayser Octaviano, Schönen Magelona, oder Peter mit dem silbern Schlüsseln, Weissen Ritter, Herr von Mumpelgart, Herr Christopher genannt, Hugo, und insonderheit im Ritter Ponto, und andern mehr, dahin ich den Leser will gewiesen haben. Dieses aber ist zu mercken, daß allhie Ritterlich gestochen ward, also, daß mancher Ritter den Sattel räumen muste. Aber Siegfried war noch nie im Sattel beweget worden, darum ihm auch nach vollendeten Stechen und Turnieren der Preiß zugeleget ward, und bekam zur Verehrung eine schöne güldene Kette, daran ein köstliches Kleinod hieng von sehr grossem Werth. Da das die anwesenden Könige, Fürsten, Grafen und Herren sahen, ward der edle Siegfried mit deren aller Consens geehret, und zum Ritter geschlagen. Was auch alda für Pomp und Pracht vorgegangen, wäre viel zu weitläufftig zu beschreiben. Will aber den günstigen Leser in die obgedachte Historien gewiesen haben.

9b Wie Siegfred den fremden Königen, Fürsten und Herren das Geleite gab, und was sich weiter begeben und zugetragen.

Wie nun die gantze werthe Ritterschafft Urlaub genommen, und der Ritter Siegfried ihnen das Geleite auf etliche Meilweges gegeben hatte, kehrete er wieder anheim, und fand den König Gibaldum, benebst seiner Gemahlin, gantz traurig und betrübt. Dann dieselben waren von ihrer Tocher Florigunda zu reden kommen, darob war ihr Hertz in Aengsten und Trauren gerathen. Siegfried tröstete sie aufs best er immer konte, und sprach: Eure Majestät sollen ihr übermäßiges Trauren einstellen und fahren lassen, ich hoffe nechst GOtt ihre Tochter bald zu er-10alösen. Wie sie ein wenig gutes Muths waren, nahmen sie das Nachtmahl und legten sich schlaffen. Zu Nachts hatte Siegfried einen Traum, wie er die schöne Florigunda sahe, darob er grosse Freude empfieng. Als nun die Nacht vergangen, und die Sonne allmählig den Tag verkündigte, da erwachte Siegfried, stund auf und legte sich an. Da kömmt ihm eine Lust an zu jagen. Nimmt demnach seine Hunde, und reitet damit

gantz allein aus, da er dann mit denselben einen dicken Wald umgabe, daß sich auch kein Wild erkühnen durffte, sich blicken zu lassen, siehe, da läufft seiner besten Spür-Hunde einer in das Gehöltz, dem eilet Siegfried mit Begierde nach, und kömt ohngefehr auf die Spur, da der Drache mit der Jungfrauen war hingefahren. Siegfried eilet seinem Hunde und dem Gespure des Wurms biß an den vierdten Tag ungegessen und ungetruncken nach, biß er endlich am vierdten Morgen hoch über das Gebürge kam. (Hier hatte Siegfried 10b wohl besser Hunger leiden müssen, als zuvor, da er erstmahls zum Schmiede kam, wie vorher schon gemeldet worden.) Siegfried aber vergaß sein selbst, und gedachte nur stets an die schöne Florigunda. Wie er aber gemercket, daß sein Pferd begunte matt zu werden, stieg er abe, und machte es Sattel leer, ließ es ein wenig grasen, weil kein Haber vorhanden, und weil er selbst auch matt war, so will er auch ein wenig im Grase ruhen, siehe, da läufft unversehens ein grosser Löwe aus dem Walde gegen Siegfrieden zu: wie er das gewahr wird, gedencket er, hier ist nicht lange Zeit zu rasten, greiffet denselben behertzt (wie Simson)

in den Rachen, reist ihn von einander, daß er todt vor ihm da lieget. Da nahm er denselben und hencket ihn an einen Baum, sattelt sein Pferd, sitzet wieder auf und eilet seinem Hunde nach, dann derselbe zeiget ihm allezeit den Weg.

11a Wie ein gewapneter Ritter Siegfrieden auf freyer Strassen anfällt, den er überwindet und tödtet, und was ihm weiter begegnet.

Wie nun Siegfried wieder auf sein Roß gesessen, und noch nicht gar weit geritten war, da begegnet ihm ein wohlgewapneter Ritter, der sprach ihm also an: Du junger Mann, wer du auch bist, ich sage dir fürwahr, du kommest ohne Schwerdt-Streich nicht von dannen, du giebest dich denn mir gefangen, wo nicht, so must du von meinen Händen sterben, zog damit vom Leder. Siegfried bedachte sich nicht lange, griff zu seinem guten Schwerdt, und sprach: Du viel kühner Ritter, wer du auch seyn magst, nun wehre dich 11b männlich, dann es wird fast noth seyn, ich will dich bald lehren, wie du einen behertzten Ritter auf freyer Strasse anfallen solt. Damit schlugen sie kräfftiglich zusammen, daß die Funcken herummer stoben. Da sprach der gewapnete Ritter zu Siegfrieden: Ich sage dir, Held, gib dich mir gefangen, denn du bist ja nicht gewapnet, darum magst du mir nicht bestehen. Siegfried sagte: ich will dir deine Waffen bald auflösen, und fassete damit sein Schwerdt in beyde Hände, und führete damit einen so harten Strich3 auf den Ritter, daß er ihm damit sein Visir wegschlug. Da sprach der Ritter zu Siegfrieden: Das soll dir übel bekommen, dann ich habe dich bisher verschonet, fassete damit einen gewaltigen Streich, und gedachte hiermit Siegfrieden das Haupt zu zerspalten. Aber Siegfried empfing den Streich auch behende auf, und traff den Ritter damit in seinen Hals, daß er vom Pferde zur Erden sanck. Siegfried sprang geschwind vom Pferde, gieng zum Ritter, besahe seine Wunden, und da er vernahm, daß sie tödtlich waren, gereute es ihm gar sehr, daß er den Ritter so verwundet hatte, zog ihm seinen Harnisch ab, vermeinte, wenn er frische Lufft schöpffete, würde er wieder zu sich selbst kommen, welches zwar so viel Nutzen schaffete, daß der Ritter noch etliche wenige Worte redete. Siegfried sprach: Nun sage mir, viel edler Ritter, von wannen bist du, und wie heist dein Nahme, und was ist die Ursach, daß du mich so freventlich angerant? Der Ritter antwortete: Ich wolte dir alles sa-12agen, wann ich nur so viel Krafft bey mir hätte, aber sage mir, wer bist du? Siegfried, der gerne etwas neues von dem Ritter erfahren hätte, antwortete ihm bald, und sagte: Ich werde genannt der gehörnte Siegfried. Als der Ritter dieses hörte, sagte er: Mein viel edler Ritter, bist du derselbe, ich habe viel von dir hören sagen, aber ich mercke, daß meines Bleibens nicht länger hier ist, drum edler Ritter Siegfried, nimm meinen Harnisch und Schild, dann er wird dir fast noth thun, denn hier in diesem Wald wohnet ein grosser Riese, Wulffgrambähr genannt, derselbe hat mich bezwungen, daß ich sein Gefangener bin. Denn ich bin aus der Landschaft Cilicia gebürtig, um Ebentheur ausgereiset, so bin ich ohngefehr in diesem Wald kommen, da mich dann dieser Riese überwunden, und mich ihm unterworffen, biß so lange ich ihm fünff Ritter wieder unterwürffig machte, alsdann solte ich wieder auf fryen Fuß gestellet werden. Nun habe ich ihn nicht mehr dann einen bezwungen, und werde ihm hinfüro keinen mehr bezwingen. Nun wolt ich, gestrenger Ritter Siegfried, noch viel mehr sagen von sonderlichen Ebentheuer, so noch in diesem Walde vorhanden, wegen eines Drachens, der eine schöne Jungfrau gefangen hält, aber ach leider! ich muß scheiden, damit gab er seinen Geist auf. Als Siegfried dieses hörte, und den Ritter so plötzlich dahin scheiden sahe, fehlete wenig, er wäre in eine Ohnmacht dahin gesuncken, fast eine gute Weile, gedachte er hin und her, wie er seine Sa-12bchen angreiffen wolte, beklagte den Ritter sehr schmertzlich: Ach du edler Ritter, sagte er, wolte GOtt, du wärest noch am Leben, damit ich mehr von dir erfahren möchte, wo die schöne Florigunda anzutreffen wäre, aber ach leider! das mag nun

nicht seyn. Siegfried nahm von seinem, des Ritters Waffen, nicht mehr, als das Schild und die Sturmhaube. Denn er sprach: Ich habe nun in dreyen Tagen keine Speise genossen, und bin derhalben sehr matt, daß ich den gantzen Küriß nicht tragen mag, so hab ich auch einen guten Harnisch an meiner Haut, (verstehe das Horn) fatzte damit die Sturmhaube auf sein Haupt, und nahm den Schild in seine Hand, setzte sich wieder auf sein Roß, und ritte fürbaß in den Wald, seiner Spuhr nach, in Hoffnung, die schöne Florigunda anzutreffen und zu erretten, oder sein Leben darum zu lassen. Wie er nun in solchen Aengsten eine gute Weile verharret, unwissend, daß er so nahe bey dem Drachenstein war, indem sticht er 13a sein Roß mit Sporen an, in Willens durch den Wald davon zu fliehen, siehe, da kommt ein Zwerglein, Nahmens Egwaldus, auf einen kohlschwartzen Rosse daher geritten, mit überaus köstlichen

Kleidern, so mit Gold und Silber gezieret, und mit Edelgesteinen versetzet waren, wie ihm dann wohl gebührte zu tragen. Dann war ein König von grossen Reichthum, wie aus seiner köstlichen güldenen Crone, die er auf seinem Haupte hatte, zu sehen.

Wie Siegfried das Zwerglein, König Egwaldum, an den Stein wirfft.

Wie nun der Zwerg, König Edwaldus, den gehörnten Siegfried ansichtig ward, grüsset er ihn tugentlich, dessen sich Siegfried zum höchsten bedancket, und sich über seine kostbare Kleidung, und sonderlich der überaus künstlichen Crone, zum höchsten verwunderte. Auch wegen seines Comitats, den er bey sich hatte, nemlich: tausend Zwerge, alle wohl geputzt und gewapnet, die 13b sich dann Siegfrieden alle zu Diensten erboten. Denn sein gut Gerüchte war auch unter diese Zwerge erschollen. Wie sich nun der Zwerge, Kö-

nig Edwald, ob den Siegfrieden nicht gnugsam verwundern kan, wie und warum er doch an diesem Ort gekommen, fragte er ihn: Was doch die Ursach sey, daß er sich an diesem Ort allein aufhalte: Zumahlen es sehr gefährlich allhier beschaffen. Siegfried danckete GOtt, daß er ihm Mittel und Wege zuschicket hätte, sein Vorhaben weiter ins Werck zu stellen, und bat den König, er wolle ihm noch seiner Tugend und Treue geniessen lassen, und ihm Mittel und Wege zeigen, wie er am füglichsten zum Drachenstein kommen möchte. Wie nun der Zwerg mit Siegfrieden redet, und ihn bey Nahmen nennet, verwunderte sich Siegfried darob, und sagte zu dem Zwerg: 14a Weil du mich so wohl kennest, so wirst du ohne Zweifel auch wohl wissen, wie mein Vater und Mutter heissen, dann, sagte er weiter, ich möchte gerne wissen, ob sie noch am Leben wären. Der Zwerg antwortete ihm und sprach: Dein Vater heist Sieghardus, und ist ein König in den Niederlanden, deine Mutter, hoch von Adel gebohren, heist Adelgunda, und seynd annoch am Leben. Wie nun Siegfried vernahm, daß der Zwerg von allen so guten Bescheid wuste, gedachte er, meine Sache wird noch gut werden. Denn er verließ sich auf seine Stärke, welcher er vier und zwantzig hatte, deren die geringsten einen behertzten Mann bestand war. Bittet demnach ferner, der König wolte ihm doch den Weg zum Drachenstein zeigen. Darob Egwald, der König, sehr erschrack, und sprach: Du solt solches nicht begehren, denn es wohnet davorn auf dem Drachenstein ein überaus schrecklicher Drache, der hält eine schöne Jungfrau, eines Königes Tochter, gefangen, welche kein Mensch erlösen kan, ihr Vater heist Gibaldus, und die Jungfrau Florigunda. Von diesen Worten ward Siegfried uber die massen froh, daß er einmahl gewissen Bericht eingenommen hatte, wo des Königs Tochter anzutreffen, spricht derowegen zu dem Zwerg: Er habe genug, er begehre nun nicht mehr, dann die schöne Jungfrau von den verfluchten Drachen zu erretten. Wie nun der König Egwaldus dis vernimmt, daß Siegfried von seinem Vorhaben nicht lassen will, bittet er ihn, er möge ihn erlauben, mit seinen Wil-14blen in Frieden von hinnen zu scheiden, denn seines Bleibens sey nicht länger hier. Siegfried steckt sein Schwerdt in die Erde, und schwur drey Ende, er wolle nicht von dannen weichen, er habe denn die schöne Jungfrau erlöset. Der Zwerg sagt: Und wenn du gleich noch drey Ende schwürest, und hättest den halben Theil der Welt bezwungen, so ist doch alles vergebens und umsonst. Drum hast du dein Leben schon verlohren, es sey dann, daß du dich wieder von hinnen begiebest. Siegfried sprach: Ach mein König Egwald, das kan nicht seyn, solches geschicht nimmermehr, ihr sollet euch solches nicht unterwinden, mich davon abzuschrecken, sondern mir viel lieber die Jungfrau erretten helffen. Weil sich aber das Zwerglein sehr fürchtet wegen der Ebentheur, wolte es davon fliehen, da ergriff Siegfried den Zwerg bey den Haaren, und schmiß ihn an eine steinerne Wand, daß

ihm seine schöne Crone zu Stücken fiel. Da sprach das Zwerglein, König Egwald, du Tugend-15ahaffter Ritter Siegfried, stille deinen Zorn, und lasse den Unmuth fahren, schone meines Lebens, ich will dir rathen und helffen alles was ich kan. Siegfried sprach, das dancke dir der Teufel, sags! Da sprach der Zwerg, König Egwald: Hier bey uns wohnet ein Riese, mit Nahmen Wulffgrambähr, demselben gehöret diese gantze Gegend, und er hat tausend Mann unter sich, die ihm alle zu Gebote stehen. Derselbe hat den Schlüssel zum Drachenstein. Da erfreuet sich Siegfried über die Masse, und sprach: Nun zeige mir denselben bald, damit ich der Jungfrauen zu Hülffe komme, und sie errette, wo nicht, so must du sterben. Da weiset er ihm fürbaß zu dem Berge bey einer steinern Wand, da der Riese seine Wohnung hatte. Da nun Siegfried solches vernahm, klopffet er

an die Thür, und heist den Riesen zu ihm heraus gehen. So bald der Riese das vernahm, sprang er mit Grimm und Zorn heraus, und hatte eine 15b eiserne Stange in der Hand, und als er Siegfrieden ansichtig ward, sprach er: Welcher Teufel hat dich hieher in diesen Wald gebracht, gedencke nur nicht, daß dich deine Füsse wieder von hinnen hinweg tragen werden. Siegfried sprach: Es ist nun schon vier Jahr, daß du die schöne Jungfrau auf dem Drachenstein in solcher grossen Trübsal verschlossen hast, darum begehre ich von dir, daß du mir die Jungfrau heraus giebst, denn ich weiß, daß du den Schlüssel zum Drachenstein habest. Da der Riese diese Worte hörete, ward er voller Grimm und Zorn, und fasset die eiserne Stange, und schlug damit solch einen ungeheuren Schlag nach Siegfrieden, daß die Aeste von den Bäumen umher stoben, und die Stange fast halb in die Erde fuhr. Es fehlete aber der Schlag, daß er dem Helden nichts schadet, dann Siegfried war ihm aus dem Wege gesprungen.

Siegfried fechtet mit dem Riesen Wulffgrambähr um den Schlüssel zum Drachenstein.

Da nun der Riese sahe, daß er des Schlags gefehlet hatte, ward er noch grimmiger, und schlug so hefftig auf den Helden, als ob er ihn zerscheitern wolte. Siegfried aber hurtig und geschwind, sprang wohl drey Klaffter hinter sich, und fasset sein gutes Schwerd zur Hand. Und weil der Riese von dem ungeheuren Schlag die Stange 16a fallen ließ, sprang Siegfried wieder vor sich, und schlug dem Riesen eine solche tieffe Wunden, daß das Blut Hauffen-weise von ihm lieff. Da sprach der Riese voller Zorn: Du junger Lecker, darffst dich dessen erkühnen, wieder mich zu streiten, da sich wohl ein gantzes Heer vor mir gefürchtet, du solt dich tausend Meilen von dannen wünschen, aber solches mag dir nicht wiederfahren, denn du hast nunmehro dein Leben verlohren. Dann ich will dir zeigen, was ich vermag. Schlug damit abermahl so einen kräfftigen Schlag auf den Helden, daß die Stange in die Erde fuhr. Hätte ihn auch ohne Zweifel damit zu Boden geschlagen, aber Siegfried war dem Schlage wiederum geschwinde aus dem Wege gewichen, daß er davon keinen Schaden überkam, er säumete sich aber nicht lange, sondern gab dem Riesen hinwiederum zu verstehen, daß er auch kein Kind wäre, indem er ihm abermahl eine tieffe Wunde in den Leib4, daß er schier davon zur Erden gesuncken wäre. Das verdroß dem Riesen über die massen sehr, flohe in die steinerne Wand, und verband seine Wunden, so gut er konte. Indessen stehet Siegfried und dencket, wie er doch immermehr die Jungfrau erretten möge, klopffet demnach wieder an des Riesen Haus, der ihm zur Antwort gab, er solte sich nicht verlangen lassen, er wolte bald bey ihm seyn, und das Garaus mit ihm spielen. Indem hatte sich der Riese gewapnet, in einem vergüldeten Harnisch, der war mit Drachen-Blut gehärtet. Sein Helm aber über die massen künst-16blich und starck. Sein Schild von gutem Stahl, eines Schuhes dicke, trug eine andere Stange, wie die vorige war, in seiner Hand, die war an allen vier Ecken so scharff, daß er damit ein Wagen-Rad, wie starck es auch mit Eisen beschlagen war, in einem Schlag entzwey schlagen konte. Über-

dem hatte er ein grosses Schwerdt nach seiner Grösse und Stärcke künstlich zugerichtet an seiner Seiten, damit sprang er wieder aus der steinern Wand voller Grimm und Zorn, (wann aber der Riese diese Wafen an sich geleget, getrauete er sich einem gantzen Heer zu wiederstreben,) und sprach zum Ritter Siegfried: Nun sage du kleiner Bösewicht, welcher Teufel hat dich hieher geführet, daß du mich in meinem eignen Hause wilt ermorden? Siegfried sprach: Das leugst du in deinen Hals, ich habe dich heissen zu mir heraus gehen. Was, sagt der Riese, pochst du noch? Du solt wünschen, daß du nimmermehr herkommen 17a wärest, ich will dich an einen Baum hencken. Du Bösewicht, sagte Siegfried, meinst du, daß ich um Henckens willen herkommen bin? warlich nein, das wird dir GOtt verbieten. Und ich sage dir fürwahr, dofern [!] du mir nicht die Jungfrau vom Drachensteine gewinnen hilffst, so will ich dir dein Leben nehmen, und ob du gleich der Teufel selber wärest, so ist doch GOTT noch stärcker, der wird dich in meine Hände geben. Solte ich dir die Magd gewinnen helffen, sprach der Riese, das geschicht nimmermehr, du weissest meine Krafft und Stärcke noch nicht, ich will dir bald lernen, daß dich nicht mehr nach Frauen gelüsten soll.

Schnarcher, sprach Siegfried, hilff mir die Jungfrau gewinnen, oder ich will dich baß lernen, und dir zeigen, wer ich bin, und was ich vermag. Damit schlugen sie beyde so grimmiglich auf einander, daß das wilde Feuer aus ihren Helm und Schilde fuhr. Siegfried vermeinte nicht anders, denn 17b daß er noch bey seinem Meister auf dem Amboß schlug, vermeinte den grossen Riesen auch so in die Erde zu schlagen, fehlet auch wenig daran. Und als er ihn so hart geschlagen, schwenckt er sich auf sein Pferd, weil er sonst gegen ihm sehr klein war, und stach den Riesen so gar tödtlich, daß er auf die Erden sanck. Dann nach langem Gefechte schlug er den Riesen Wulffgrambähr, daß er auf den Erdboden gestreckt dahin fiel, und das Blut Hauffenweise von ihm floß.

Wie nun der Riese mit sechzehn tieffen Wunden gefället war, begunte er um sein Leben zu bitten, und muste dem viel kühnen Ritter den Preiß wider seinen Willen geben. Dann, sprach er, du magst wohl mit allen Ehren eines Ritters Nahmen führen, dann du bist ein kleiner Mann, und gegen mir ein Kind zu rechnen, und du hast mich gleichwohl überwunden, wirst du mir aber mein Leben schencken, so will ich dir alle meine Rüstung und mich selbsten dir zum Pfande meiner Treue übergeben. Siegfried sprach: Das solt du von mir gewähret seyn, daferne du mir die Jungfrau Florigunda vom Drachenstein wilt gewinnen helffen. Das versprach er ihm mit aller Treue zu thun.

Wie der Riese Wolffgrambähr dem Siegfried schweret, er wolle ihm die Jungfrau vom Drachenstein gewinnen helffen.

Da schwur der Riese Wulffgrambähr dem Ritter Siegfried einen theuren Ende, er wolte ihm 18a die Jungfrau gewinnen helffen. So schwere ich dir auch, (sagte Siegfried) dein Leben zu erhalten, und verband dem Riesen selbst seine Wunden, so gut er konte, und sprach zu ihm: Die Wunden hättest du wohl können überhoben seyn, dann mit diesem Streit hätten wir ohne Zweifel die Jungfrau gewinnen können.

Nun sage mir Gesell, sprach Siegfried, wie kommen wir zum füglichsten auf den Drachenstein. Das will ich dir zeigen, sagte der ungetreue Riese, (dann er seinen Eyd, den er geschworen, nicht lange gehalten, wie man bald hören wird,) weiset ihn in einen finstern Thal, bey dem-

selben floß ein strenges Wasser daher, daß sein Geräusche ein heßliches Geheul und Wiederschall zwischen dem Gebürge und Drachensteine abgabe. Wie sie nun daher giengen, und Siegfried sich keines Ubels befürchtet, sondern nur mit Verlangen erwartet, wie er bald so wohl die schö-18bne Jungfrau, als des Drachens möchte ansichtig werden. Indem er in solchen Gedancken gehet, gedachte der Riese, jetzt wird es Zeit seyn, deine Scharten auszuwetzen, und damit gab dieser meyneydige Bösewicht dem edlen Ritter von hinten zu einen so ungefügten Schlag, daß er davon zur Erden sanck, und ihm das Blut aus Nase und Mund floß.

Siegfried hatte noch nie solch einen harten Streich von der Faust bekommen, als er allhier schelmischer Weise überkam. Es hätte ihm auch der Riese ohne allen Zweifel den Garaus gemachet, wann nicht das Zwerglein Egwaldus darzwischen kommen wäre, und den Siegfried mit seinen Künsten das Leben salviret hätte. Im Niederfallen aber hatte Siegfried seinen Schild über sich gedecket, vor mehrern Schläge sich zu behüten, lieget also in einer Ohnmacht ohne alle Sinne darnieder.

Das Zwerglein setzet dem Siegfried eine Nebelkappe auf, daß ihn der Riese nicht sehen kunte.

Da nun Siegfried also unter seinem Schilde auf der Erden lag, da kam das Zwerglein, und setzte ihm eine Nebelkappen auf, daß ihn der Riese nicht sehen konte. Da laufft der Riese gantz toll und unsinnig herum, und weiß nicht, wie es immer zugehet. Hat dich denn der Teufel von hinnen geführet, sprach er, oder hats GOtt gethan? Erst lagst du vor mir gestrecket auf der Erden, und itzo bist du nicht mehr da, was Wunder ist das? Des 19a must das Zwerglein in ihm selber lachen, und richtet den Siegfrieden auf, und setzte sich neben ihm. Als nun Siegfried zu sich selber kam, danckte er dem Zwerg von gantzem Hertzen: GOtt, sprach er, muß dirs vergelten, daß du so treulich bey mir gehandelt hast, da ichs doch um dich nicht verdie-

net habe. Ja, sprach das Zwerglein, du edler Ritter hast wohl Ursach GOtt zu dancken, dann wäre ich dir nicht zu Hülffe kommen, so würde dir viel weher geschehen seyn; ich bitte dich aber, du wollest dich nun hinführo um die Jungfrau nicht mehr bekümmern noch bemühen, damit dir nichts ärgeres wiederfahre, dann itzo kanst du ohne alle Furcht in dieser Nebelkappen wohl von dannen kommen. Da sprach Siegfried: Dein Bitten ist vergebens und umsonst, solte ich alle meine Mühe und Arbeit umsonst und vergebens verlohren und angewendet haben? Das sey ferne, und hätte ich tausend Leben, ich wolte sie alle dran wagen, 19b und solte mir auch kein eintziges überbleiben. Riß damit die Nebelkappe von sich, und nahm sein Schwerd in beyde Hände, lieff dem Riesen voller Grimm und Zorn männlich an, und hieb demselben noch acht tieffe Wunden. Da schrie der Riese fast sehr: Du bist ein kleiner Mann, und schlägst so kräfftiglich auf mich, was nützt dir doch

mein Tod, sintemahl kein Mensch auf dieser Welt nach mir vorhanden, der die Jungfrau kan gewinnen helffen. Siegfried gedachte an die grosse Liebe, die er zu der Jungfrau hatte, und ließ den Riesen beim Leben, und sprach: So hebe dich von dannen, und gehe immer voran hin, und zeige mir den Weg zur Jungfrau, oder ich schlage dir dein Haupt abe, und solte auch zugleich die gantze Welt vergehen.

Da nun der Riese den Ernst an dem Ritter sahe, nahm er den Schlüssel in die Hand, und ging voran zum Drachenstein, schloß die Thüre auff, 20a welche acht Klafftern unter der Erden verborgen und verschlossen war.

Als nun die Thüre war aufgesperret, riß Siegfried den Schlüssel geschwind zu sich, und sprach: Hebe dich fort, du nichtswürdiger treuloser Bösewicht, und zeige mir den Weg zur Jungfrau, oder ich will dir deine Untreue auf deinem Kopff vergelten.

Da sie nun beyde diesen ungeheuren Stein hinan giengen, wurden sie sehr müde, voraus der Riese, der wäre gern niedergesessen, weil er seine Wunden wohl empfand; Aber Siegfried trieb ihn mit Gewalt fort. Indem ward der edle Rit-

ter Siegfried der Jungfrauen gewahr, dessen er sich von Hertzen sehr erfreuete. Florigunda, die Jungfrau, ward vor Freuden weinend, wie sie den tapffern Ritter sahe, und sprach: Diesen Ritter habe ich mehrmahl bey meinem Vater gesehen, heisset ihn willkommen, und begehrete zu 20b wissen, wie es ihrem Vater, Mutter, und dreyen Gebrüder zu Worms gienge.

Wie er nun kürtzlich berichtet, wie daß sie bey seinem Abreisen vor vier Tagen noch bey guter Gesundheit gewesen, sprach er: Viel Tugendreiche Jungfrau, last ab von euren Trauren, und schicket euch zur Reise, denn unsers Bleibens wird nicht lange hier seyn. Ach mein edler Ritter, sprach die Jungfrau, ich habe grosse Sorge vor euch, ihr werdet mich nicht ohne Streit von hinnen bringen, aber ich fürchte sehr, ihr werdet dem ungeheuren Drachen nicht bestand seyn, denn es ist der lebhafftige Teufel. Und wenn er gleich der Teufel wäre, viel Tugendhaffte Jungfrau, sagte Siegfried, solte ich darum meine saure Arbeit und grosse Mühe umsonst angewendet haben? Das sey ferne. Entweder ich muß euch erretten, oder mein Leben verlieren. Helffet mit mir GOtt im Himmel mit Herz und Mund anruffen, daß er mir wolle Krafft und Stärcke verleihen.

Die Jungfrau betete von Hertzen inniglich zu GOtt, daß er dem Ritter Krafft und Stärcke verleihen wolle, damit sie doch einmahl von dem grausamen Drachen erlöset würde. Sie sagte auch dem Ritter viel Danks, daß er so große Arbeit und Gefahr um ihrent willen über sich genommen hätte, versprach ihm zugleich ihre Treue, dafern er sie erretten würde, wie dann auch nicht unbillig war. Siegfried hieß die Jungfrau guts Muths seyn, und sagte, er wolte an sich nichts erwinden lassen, sondern er wolte den Drachen, ob GOTT will, wohl bestehen, oder sein Leben verlieren.

21a Zu hand sagte der Riese, Wulffgrambähr, zu Siegfrieden: Siehe da vor dich in der steinern Wand, da wirst du eine überaus schöne Klinge finden, die der berühmteste Meister in der Welt mit Künsten zugerichtet hat, und ohne derselben ist keine zufinden, damit der Drache mag überwunden werden.

Siegfried sehr begierig, griff nach dem Schwerdt, sich keines Ubels besorgend, siehe, da schlägt der treulose Bube, der nicht werth, daß man ihn nennen soll, dem edlen Siegfried eine tieffe Wunde, daß er genau mit einem Fuß auf dem Drachenstein stehen blieb. Da lieff der Held in grimmigen Zorn auf den Untreuen zu, und fing sich von neuen ein solch Ringen an, daß der Drachenstein darob erschütterte. Die Jungfrau wand ihre Hände, und rauffte ihr goldgelbes Haar aus dem Haupt, und schrie inniglich zu GOtt, er wolte doch dem Gerechten beystehen. Indem rufft sie dem Ritter zu: Du viel kühner Held, streite mannlich vor dein Leben, und rette mich armes Mägdlein, gedencke der grossen Arbeit, die du allbereit meinetwegen ausgestanden hast.

Da Siegfried die Jungfrau also klagen höret, sprach er: Seyd getrost meine Schöne, es hat keine Noth. Der Riese gedachte, das will itzt übel ablauffen, jetzt muß es gewonnen oder verlohren seyn, und ringet aus allen Kräfften, die er doch fast verlohren hatte. Da faßte Siegfried dem Riesen in die Wunden, und riß ihm die von einander, daß das Blut dem Steine hinab floß. Da sanck der Riese zur Erden, mit bebender Stimme, dem 21b Ritter sehnlich bittende, er wolle ihm doch seiner Tugend geniessen lassen, und ihm das Leben schencken. Er bekannte auch, daß er an ihm nun drey mahl treuloß worden sey. Weil ihr denn sehet, sagt er, daß ich also Krafft-loß da liege, werdet ihr euch desto weniger vor mir zu fürchten haben. Siegfried aber, der nunmehr die Jungfrau in seiner Gewalt sahe, und den Schlüssel zum Drachenstein bey sich hatte, achtet solcher Bitte wenig, sondern stieß den ungeheuren Riesen vom Drachenstein hinab, daß er gantz zerschmettert.

Da lachete die Jungfrau, und freuete sich über die massen, danckte GOTT, daß er den Ritter Krafft und Stärcke verliehen hätte. Der Ritter gieng mit Freuden zur Jungfrau, und umfing sie züchtiglich, und sprach zu ihr: Nur gutes Muths, meine Schöne, euer Leid soll bald in Freude verwandelt werden. Die Jungfrau danckte dem Ritter von Hertzen mit viel beweglichen Worten, sie erinnerte Ihn aber dabey, daß dieses noch nicht genug sey, dann sie befürchtete sich des Drachens, der würde ihm noch grösser Ungemach anthun. Hieran, sprach der Ritter, ist wenig gelegen, nur dieses ist mein größter Kummer, daß ich in vier Tagen weder gegessen noch getruncken, viel weniger einiger Ruhe gepflegt habe.

Das hörete das Zwerglein Egwald, und erschrack benebenst der Jungfrau über die massen, lief hin, und verschaffete, daß dem Helden zu essen gebracht ward, erbot sich auch, ihm und seine schöne Jungfrau zum wenigsten vierzehn Tage mit Speise und Tranck zu versorgen, und mit vielen 22a seiner Brüder und Kameraden zu dienen und aufzuwarten.

Siegfried setzte sich zu Tische mit der Jungfrau, sich seines Hungers zu sättigen, und zu laben, siehe, da kömt der Drache daher geflogen, und noch andere sieben5 Junge mit ihm.

Als nun das Essen, so gut es in der Eile konte zubereitet werden, aufgetragen war, setzte sich Siegfried mit der Jungfrau zu Tische, sich mit Essen zu erlaben, damit er wieder zu Kräfften kommen möchte. Ehe sie aber angebissen, siehe, da kömt der ungeheure Drache über das Gebürge daher geflogen, und sieben junge Drachen mit ihm, daß davon das gantze Gebürge erschütterte, als ob es in einen Hauffen fallen wolte, daß kein Wunder gewesen, wenn ein Mensch vor Schrecken gestor-22bben wäre. Da erschrack die Jungfrau über die massen, daß ihr der Angst-Schweiß übers Gesichte lieff, und alle Zwerge, die zu Tische dieneten, flohen davon. Siegfried nahm sein Seiden-Gewand, an statt eines Wischtüchleins, und wischte damit der Jungfrau zärtlich ihren Schweiß ab, und sprach zu ihr: Meine Schöne, verzagt nur nicht, GOtt wird schon helffen. Ach mein lieber Herr, sagte die Jungfrau, wann euch die gantze Welt anitzo beystünde, so wäre es doch nunmehr um uns geschehen. Das wolte GOtt nimmermehr, meine Liebste, sagte der Ritter, so pflegen Weiber zu reden, ein Ritter aber sagt viel anders darzu, so lange GOtt und ich bey euch seyn, hat es keine Noth, wer will uns das Leben nehmen, das uns GOtt gegeben hat?

Als nun die zwey Verliebten in diesem Gespräch waren, da kam der Drache daher gefahren, und das Feuer dreyer Reise-Spiesse lang vor ihm her, daß davon der Felsen erhitzte, als ob er brandte. Indem stieß der Drache mit solcher grausamen Flucht an den Stein, daß derselbe zerriß und erschüttert, als ob er in einen Hauffen fallen wolte, dessen Siegfried benebst der Jungfrau unter dem Felsen sehr erschracken, vermeinten, derselbe würde über sie fallen, und sie bedecken. Dann sie hatten sich vor der großen Hitze unten in die Höhle gemacht, damit das Feuer, so der Drache ohne Zweifel mit aus der Höllen gebracht, etwas verlöschen und vergehen möchte.

Dieser Drache war zuvor ein feiner Jüngling gewesen, und von Buhlschafft wegen von einem 23a Weibe verflucht worden, also, daß der lebhaffte Teufel bey ihm war, den er auch mit Leib und Seele dienen muste. Doch behielt er menschlichen Verstand, und hatte teuflische Krafft an sich, darum er auch die Jungfrau geraubet hatte, in Willens dieselbe nach verflossenen fünff Jahren, wann er wieder zum Menschen worden, zum Weibe zu nehmen. Ob nun zwar die Jungfrau der Hoffnung lebte, daß er nach verflossenen fünff Jahren wieder ein Mensch werden solte, so grauete ihr doch so sehr vor ihm, als vor dem Teufel selber, daß sie ihm nimmer und in Ewigkeit nicht hold werden konte, wie leichtlich zu erachten.

Der Drache aber erhub sich über die massen grausam, daß er seiner schönen Jungfrau solte beraubet werden, die er nunmehr über vier Jahre ernähret hatte, und sie des Winters mit seiner Hitze vor der Kälte, die über alle massen groß und unerleidlich auf dem Drachensteine war, erwärmet. 23b Dann er legte sich zu Winterszeit von ferne vor die Höle, und hielt den Wind, Frost und Kälte auf, damit der Jungfrau kein Ungemach zustieß, (ohne wann er aus war, Speise zu holen) und gedachte sie nunmehr zum Weibe zu nehmen, drum wäre er schier vor Zorn geborsten.

Wie Siegfried auf dem Steine mit dem Drachen kämpffet.

Siegfried konte in der Höle nicht länger verharren, sondern waffnete sich aufs best er mochte, und nahm sein gutes Schwerdt zu sich, das ihm der Riese auf dem Drachenstein gezeiget hatte, als er ihn gedachte schelmischer Weise zu fällen, gieng damit den Drachenstein hinan. Als der Drache den Siegfried ansichtig ward, griff er ihn mit solcher grausamen Gewalt an, daß es nicht zu glauben ist. Da solte man ein Gefechte gesehen haben, daß der Stein davon erschütterte, als ob er zerfallen wolte. Siegfried wehrte sich mannlich, so gut er nur immer mochte, doch konte er nicht davor seyn, daß nicht der Drache dem Helden den Schild abrisse, mit seinen ungeheuren Klauen. Uber das machte er eine solche Hitze, daß der Felsen wie eine Schmiede-Esse anzusehen war, und dem Siegfried der Schweiß über den gantzen Leib abfloß. Als nun diese beyden solchen grausamen Thurnier mit einander hatten, wurden die wilden Zwerge gezwungen, aus dem Berge in die Wälder zu fliehen. Dann sie besorgten sich, der Felsen würde einfallen, und sie alle zerschmettern.

24a Nun waren Egwardi zween Söhne in dem Berge gewesen, die waren Egwaldus Brüder, und hatten ihres Vaters Egwardi Schatz daselbst gehütet. Da sie nun alle davon flohen, versteckten sie den Schatz in einen holen Stein, hart an der steinern Wand unter dem Drachenstein, welchen hernachmahls Siegfried gefunden, aber ihm nicht zu Nutz kommen ist, wie man hernach hören wird. Der Zwerg Egwaldus wuste nicht, daß die Zwerge geflohen waren, auch nicht von dem Schatz, den sie verborgen hatten. Denn er hatte sich verborgen, acht zu haben, wie es mit dem er-

schrecklichen Streit ablauffen würde, damit er im Fall der Noth den Siegfrieden mit seiner Kunst zu bedienen bereit wäre. Dann solte Sigfried überwunden worden seyn, so wären die Zwerge alle des Todes gewesen, dann der Drache wuste, daß die Zwerge Wissenschaft von dem Steine hatten.

24b Wie nun Siegfried die unleidliche Hitze von dem Drachen nicht länger ausstehen konte, weil ihm sein Horn am Leibe alles erweichet, flohe er zu der Jungfrauen unten in die Höle des Berges, biß sein Horn wieder erhärtet, und sich die grosse Hitze auf dem Steine etwas minderte. Indem findet er den überaus reichen Schatz, den die Zwerge da versteckt hatten. Er meinte aber, daß der Wurm den Schatz da würde versteckt haben, und wenn er wieder zum Menschen worden, alsdenn denselben wieder zu sich nehmen wolte, oder aber er würde den Riesen, den er getödtet, zugehöret haben, wuste aber nicht, daß derselbe dem Zwerg Egwalden zuständig war.

Da sprach die Jungfrau zu Siegfried: Wie daß sie von dem Zwerg Egwald Bericht eingenommen hätte, daß der Drache noch andere sechtzig junge Drachen zu sich genommen hätte, darum würde es nunmehro um sie geschehen seyn. Siegfried gedachte, ich muß dennoch mein Heyl versuchen, wer weiß, wann die Gefahr zum allerhöchsten, so ist GOtt mit seiner Hülffe am nächsten. Und ob ich dann der Hitze nicht mehr bestehen kan, so fliehe ich wieder in die Höle, biß mein Horn wieder erhärtet, alsdenn setze ich wieder frisch daran, so lange ich das Leben habe. Sollen wir denn beyde sterben, sagte Siegfried zur Jungfrau, wolan, so will ich doch erst ritterlich fechten. Indessen behüte euch GOtt, und betet fleißig vor mich, daß mir GOtt Krafft und Macht verleihen wolle, damit ich den grausamen Drachen wiederstehen möge. Fiel damit auf seine Knie, und betet also:

25a O GOtt, weil ich zum Streite geh,
Mit Deiner Stärcke mir beysteh,
Bey meinem Streit und Krafft auch sey,
So werd ich von dem Drachen frey.

Wie er nun sein Gebeth vollendet hatte, stieg er den Drachenstein getrost und unverzagt wieder hinan, sein Heyl ferner zu versuchen. Wie er nun den Drachen mit allen seinen Jungen wieder ansichtig ward, faßte er sein Schwerdt zu beyden Händen, und schlug so grimmiglich auf den ungeheuren Drachen aus allen seinen Kräfften, als ob er ihn zerscheitern wolte, und im Gefechte flohen die jungen Drachen alle davon, des Weges wieder hin, daher sie kommen waren: Aber der alte Drache blieb, und schoß aus seinem verfluchten Rachen über den Helden Siegfried die Flammen blau und roth mit solcher Menge, daß er den Helden etliche mahl bey nahe zur Erden gefället. Uber dieses 25b brauchte sich der Drache seines Schwantzes mit solcher List, daß er dem Ritter zum öffteren darein flochte, ihm damit vom Drachenstein hinunter zu schleudern. Siegfried aber, der sich GOtt gantz ergeben hatte, war hurtig und geschwind, sprang in die Höhe aus der Schlingen, und von deme an trachtet er darnach, wie er den Wurm des Schwantzes berauben möchte; fassete demnach sein Schwerdt manniglich, und führete solch einen gewissen und harten Streich auf des Drachen seinen Schwantz, daß er denselben von ihm absonderte, als ob er nie daran gewesen wäre. Da nun der Drache sich seines Schwantzes also beraubet sahe, ergrimmete er über den Ritter dermassen, daß er ihn mit Feuer gedachte zu verbrennen, warff ihn mit so viel Gluth an, als ob ein gantz Fuder Kohlen auf dem Steine angeleget wären, daß davon sowohl der Drache selbsten, als Siegfried sein Horn alle erweichet. Wie nun Siegfried sahe, daß sein gutes Schwerdt auf dem Drachen begunte zu hafften, fassete dann er ein muthig Hertz, und schöpffte neue Krafft, führete einen harten und gewissen Streich, daß er damit den Drachen in zwey Stücken von einander theilete, und die eine Helffte von dem Steine in tausend Stücke hinab fällt. Da nimmt Siegfried die andere Helffte, und stößt dieselbe auch hinab, daß es gantz zerschmettert.

Hier fällt Siegfried vor grosser Hitze und Mattigkeit in eine Ohnmacht.

Wie nun die Jungfrau von dem erschrecklichen Geschrey, Knall und Fall des Drachen un-26aten in der Höhle so viel verstanden, daß er gewiß müste überwunden sein, läufft sie voller Freude, Furcht und Schrecken unter einander, den Stein hinan, siehe, da lieget ihr Erretter vor grosser Arbeit und Hitze erbleichet, ausgestrecket auf dem Boden. Seine Lippen waren ihm kohlschwartz,

also, daß kein eintziges Zeichen des Lebens mehr an ihm zu sehen war. Da wolte die Jungfrau davon fliehen, vielleicht, daß sie vermeinte, es würden die andern jungen Drachen wiederkommen, oder daß sie das Zwerglein Egwald um Hülffe anschreyen wolte, siehe, da fällt die Jungfrau in eine Ohnmacht6 blieben, wann nicht der Zwerg Egwaldus ihr mit Hülffe beygesprungen wäre.

Als nun der edle Ritter eine gute Weile also ohne Vernunfft und Sinne gelegen war, da begunten sich seine Lebens-Geister wieder zu sammlen, und ein wenig Odem zu schöpffen. Indem er nun seine Augen ein wenig aufthäte, begunte er sich all-26bmählich aufzurichten. Wie er nun eine Weile also gesessen, und sich umgesehen, wird er gewahr, daß seine schöne Jungfrau dorten an der Erden lieget, dessen er von Hertzen erschrack, stund auf, ging zu ihr, und fiel bey ihr vor Unmuth nieder, umfasset sie mit seinen Armen, rüttelt und schüttelt sie, ob er nicht ein eintziges Zeichen des Lebens bey ihr verspühren möchte, fieng darauf eine bitterliche Klage an: Ach! daß es GOtt im Himmel erbarme, soll ich dann nicht mehr vor alle meine große Gefahr, schweren Streit und Arbeit als eine tode Jungfrau davon bringen? Was schlechte Freude wird das deinen Eltern seyn? O wehe! daß ich hieher kommen bin.

Wie er nun diese Klage eine gute Weile getrieben hat, kommt zu allem Glück der Zwerg Egwald daher gelauffen, bringet eine Wurtzel mit sich, giebt die Siegfrieden, daß er dieselbe der Jungfrauen in den Mund steckte. Von Stund an erholte sich die Jungfrau wieder, und kamen ihre Lebens-Geister allmählig wieder zu ihr, richtet sich auf, und umfieng den Helden Siegfried mit freundlichen, doch schamhafftigen Geberden, wie ihr das zu thun wohl geziemet.

Da sprach das Zwerglein Egwald zu dem Helden: Der falsche Riese Wulffgrambähr hat uns in diesem Berge bezwungen, deren wir über tausend seyn, daß wir ihm haben unser eigen Land verzinsen müssen, darvon habt ihr uns frey gemacht, das wissen wir euch viel und grossen Dancks, und erbieten uns euch zu dienen, so viel unser seyn, wir wollen euch begleiten biß gen Worms an den 27a Rhein, dann wir die Wege wohl wissen, dessen sich Siegfried höchlich gegen ihm bedanckte. Unterdessen bate der Zwerg den Ritter benebenst der Jungfrauen zu sich in den Berg, mit ihnen zu essen, dessen er denn auch wohl bedürfftig war.

Als nun daselbst aufs beste zugerichtet, und Siegfried mit Speis und Tranck wiederum gelabet und erqvicket, da waren die Zwerge sehr beschäfftiget, und trugen auf das beste, so sie immer in geschwinder Eile konten zu wege bringen. Das Zwerglein Egwaldus war sehr beschäfftiget, brachte seine schönste Music zu wege, davon sie alle erfreuet worden: Als nun die Mahlzeit vollendet, trug man allerhandt Confect in vergüldeten Schüsseln auf, und wurde da des edlen Ritter Siegfriedens und seiner Liebsten Gesundheit von Zwergen weidlich herum getruncken. Die Zwerge waren recht frölich, tantzten und sprungen, aber der Ritter Siegfried war von Hertzen müde, denn er in 27b vier Tagen und drey Nächten fast nicht geruhet, darum bat er, daß man ihm und seiner liebsten Jungfrau wolte die Ruhe bereiten. Wie das der König Egwald vernahm, schaffte er, daß dem Helden und der schönen Jungfrau die Betten aufs köstlichste bereitet würden.

Unterdessen nahm Siegfried die schöne Florigunda zu sich, und sprach zu ihr: Meine allerschönste Jungfrau Florigunda, nun saget mir doch, wie habt ihr bey dem ungeheuren Drachen so lange leben können? Mein viel edler Ritter, sagt die Jungfrau, das mögt ihr wohl dencken. Aber sagt

mir, mein vielwerther Ritter, wie seyd ihr auf diese Reise kommen, und was hat euch zu dieser gefährlichen Ebentheur verursachet, daß ihr euer Leben so frisch gewaget und in die Schantze geschlagen? Siegfried antwortete: Meine viel Ehr- und Tugendreiche Jungfrau Florigunda, zu dieser gefährlichen Reise und GOtt Lob glücklichen Eben-28atheur hat mich veranlasset und verursachet nichts anderes, als E. L. schöne Freundlichkeit und edle Tugend, diese ist eintzig und allein die Ursache, daß ich mein Leben gering geschätzet und in die Schantze geschlagen, damit ich E. Lbdn erretten möchte. Als dieses gesagt, flossen der schönen Florigunda die Zähren mildiglich über die Backen, zog damit einen schönen Ring mit köstlichen Diamanten von ihrer Hand, steckte denselben dem Ritter an seinem Finger. Siegfried wolte die edle Gabe nicht unvergolten lassen, sondern nahm seine güldene Kette, die ihm im Thurnier an ihres Vaters Hofe war zu Theile worden, von seinem Halse, und hing sie der Jungfrau an ihren schneeweissen Hals, und damit ward ihrer beyder Liebe u. Treue bestätiget.

In diesem Gespräch war allbereit die Sonne hinter dem Gebürge untergangen, und überzogen allmählig die schwartzen Wolcken den hell-leuchtenden Himmel, und Siegfrieden begunten die Augen zuzufallen. Wie die schöne Florigunda solches sahe, winckte sie dem Zwerg, König Egwald, bat ihn, er wolle doch verschaffen, daß der Ritter zur Ruhe kommen möge. Also ward dem Ritter ein köstlich Bette gezeiget, darauf war eine schöne Sammetne Decke, darein des Himmels Lauff künstlich gesticket und gewircket war. Siegfried sagte: Bißhero habe ich unter dem gestirnten Himmel im Laube und Grase geruhet, doch wenig geschlaffen, aber nun will ich unter diesen Sammeten Himmel im weichen Bette, ob GOtt will, besser schlaffen. Florigunda ward hart neben ihm absonderlich gebettet. Als sie nun ihr Gebet ge-28bthan, und sich GOtt befohlen, schlieffen sie geruhlich ein biß an den Morgen.

Als nun der Morgen begunte heran zu nahen, und die Sonne allmählig ihre Strahlen begunte über das Gebürge zu strecken, erwachte die schöne Florigunda, stunde behende auf, und thät ihr Gebeth, sauberte sich, und danckte dem lieben GOtt, daß er sie diese Nacht und die vorige Zeit ihres Lebens bewahret, und aus so grosser Gefahr so gnädiglich erlöset. Nachdem gieng sie vor des Ritters Bette, dann sie hatte Sorge vor ihm, um alle seine harte Arbeit und Gefahr, die er ausgestan-

den. Als sie nun vernahm, daß der Ritter noch natürlich schlieff, ließ sie ihn ruhen, satzte sich, und fieng an einen Morgen-Gesang gar lieblich zu singen, davon der Ritter erwachte, welcher sich entfärbte, daß er so lange geschlaffen. Aber er war wegen seiner schweren Arbeit und Müdigkeit wol zu entschuldigen.

29a Florigunda gieng ein wenig bey seit, daß sich der Ritter konte anlegen, der stund auf, sauberte seine Hände und Gesicht, und betete sein Gebeth, darnach gieng er züchtiglich zu der Jungfrau Florigunda, grüsset dieselbe, und fragte, ob sie nicht bald Lust hätte ihre Eltern zu sehen? Ja, antwortete die Jungfrau, von Hertzen gern; da kommt eben der Zwerg Egwald herzu, grüssete das verliebte Paar freundlich, und fragte, wie sie geschlaffen und geruhet? Sie antworteten ihm: Gar wohl. Siegfried begehrte von dem Zwerge Urlaub, der Zwerg bate ihn länger zu bleiben, welches Siegfried höfflich abschlug. Demnach ließ der Zwerg eilig ein Frühstück zubereiten. Als sie nun ein wenig Speise zu sich genommen hatten, nahm Siegfried Urlaub vom König Egwald und dessen zween Brüdern, (welche ebenmäßig Könige waren) und reisete mit seiner schönen Florigunda hinweg. Der König Egwald schenckte der Florigunda ein wohlausstaffirtes Roß mit auf die Reise, bat den Ritter und die Florigunda, ihnen mit ihrer Gunst gewogen zu bleiben, erbot sich ihme zu dienen nach höchsten Vermögen, und sprachen die drey Könige, als der Zwerg Egwald und seine Brüder, zu Siegfrieden also: Edler Ritter, unser Vater Egwardus ist vor Leid gestorben, weil dann eure ritterliche Hand den ungeheuren Riesen Wulffgrambähr besieget und erleget, dessen wissen wir euch viel Dancks, dann sonsten hätten wir alle des Todes seyn müssen, darum, daß wir euch gesagt, daß er den Schlüssel zum Drachenstein hatte.

Damit ihr nun unser danckbares Gemüht er-29bkennen möget, wollen wir euch sämtlich das Geleit gen Worms geben, und damit euch kein Unfall unter Wegens zustossen möchte, wollen unser hundert oder mehr mit euch ziehen.

Wie Siegfried mit der Jungfrau hinweg reiset und der König Egwald auf einem prächtigen Rosse voran reitet, und ihnen den Weg zeiget.

Als nun Siegfried Urlaub von den Zwergen genommen hatte, hieß er sie alle zu Hause bleiben, ohne den König Egwald, der muste ihn den Weg zeigen, der es dann auch gerne that, satzte sich auf sein schönstes Pferd, und ritt vor ihnen her. Wie sie nun so fort ritten, sprach Siegfried zu dem Egwald: Ich habe auf dem Stein gesehen, daß du der Kunst Astronomia wohl erfahren bist, drum bitte ich, daß du mir wollest sagen, wie mirs ins künfftige noch ergehen wird. Das will ich zwar 30a auf dein Begehren gerne thun, sagte der Zwerg, allein ich fürchte, daß dir solches nicht zum besten gefallen möchte. Wann ichs dann begehre, sagte Siegfried, was liegt dir daran, wie es mir ergehen wird. Wolan, sagte der Zwerg, so solt du wissen, daß du ein (dein) schönes Weib, die du itzo noch als Jungfrau heimführest, nur acht Jahr haben wirst, alsdann wird dir dein Leben mörderlicher Weise genommen werden. Aber dein Weib wird deinen Tod schmählich rächen, und wird mancher braver Held darum ins Gras beissen müssen, doch wird deinem Weibe der Krieg auch zuletzt den Tod anthun. Weil dann mein Tod so wohl gerochen werden soll, sagte Siegfried, so begehre ich auch den Thäter so eben nicht zu wissen, hieß damit den König Egwald wieder zurück zu kehren, der dann mit weinenden Augen wieder zurück in den Berg gieng.

Da gedachte Siegfried an den Schatz, den er dort in dem holen Stein gefunden, und vergessen hatte, und hatte zweyerley Gedancken, eine auf den Riesen, die andere auf den Drachen, wie hiebevor schon ist angedeutet worden. Aber auf die Zwerge kunte er nicht dencken, sonst hätte er ihn nicht geholet, weil er sein doch nicht froh ward, wie man bald hören wird.

NB. Dieser Schatz war von dem König Egwardus herkommen, und war kein König so reich geschätzet, als eben dieser Schatz werth war, wann wir aber den Krieg und Streit, davon dieser schatz herrühret, beschreiben wolten, wie viel hundert Ritter darin erschlagen, das würde eine besondere 30b Historie erfordern. Dann von demselben Streit keiner entronnen, oder davon kommen, ohne der Meister Hildebrand und Dietrich von Bern.

Damit wir aber wieder auf unsere Historia kommen, so kehrete demnach Siegfried mit der Jungfrau wieder um, und sagte: Wir wollen den Schatz darum nicht liegen lassen, denn weil ich den Stein mit Gefahr meines Lebens gewonnen habe, so kann derselbe auch niemand füglicher zukommen als mir. Nahm also den Schatz, und legte ihn auf sein Pferd, und trieb das vor ihm hin, und reisete die Strasse, da er den vorigen Tag den Ritter erschlagen hatte, da sahe er dessen Pferd dort gehen

und grasen. Legte sich ein wenig dabey hin ins grüne, und schlieff. Und als er wieder aufgewachet war, da nahm er den Schatz, und legte ihn auf das Pferd, aber er satzte sich wieder auf sein eigenes, und führete dasselbe mit dem Schatz nebenst ihm und der Florigunda her. Die Jungfrau sagte: 31a Mein edler Ritter, das Pferd ist uns wohl zu statten kommen. Ja, meine Liebste, sagte der Ritter, wer GOtt vertraut, den verlässet er nicht. In diesem und andern Gespräch kamen sie aus dem Walde, und bald wieder in ein dickes Gesträuch. Darinn waren sie nicht lange geritten, da kamen unversehens dreyzehn Mörder, und umringeten sie. Da sagte Florigunda: O mein edler Ritter, wie wird es uns nun ergehen? Seyd zufrieden, Allerliebste, sagte Siegfried, die beissen uns nicht. Indem umgaben ihn sechs derselben, und sprachen: Gib uns die Jungfrau, oder es kostet dir dein Leben, der Ritter lachete darzu. Die Jungfrau sprach: Wir wollen ihnen den Schatz geben, so werden sie uns paßiren lassen. Der Ritter sprach, ich achte sein wenig, aber den Schimpff wolte ich um den Schatz nicht nehmen, daß ich mich vor die Kerls fürchten solte. Indessen umringen sechs Mörder die Jungfrau, und der letzte nahm das Pferd bey dem Zaum, und wolte mit dem Schatz davon. Der Ritter gedachte nicht, daß es ihr Ernst war; wie er aber solches vermercket, sprach er mit strengen Worten zu ihnen: Ihr leichtfertigen Strassen-Räuber, was habt ihr im Sinne? fragstu noch, sagte einer, und schlug damit gewaltig auf ihn loß. Siegfried säumete sich nicht lange, nahm sein Schwerdt, damit er den Drachen getödtet hatte, und schlug dem vornehmsten und trotzigsten Schnarcher in dem ersten Streich den Kopff hinweg. Im andern Hieb spaltet er dem andern den Kopff biß auf die Zähne von einander, da wichen die vier zurücke. Als die andern sechs, 31b die die Jungfrau umgeben, das sahen, wolten sie ihren Gesellen zu Hülffe kommen, aber die wurden auch empfangen, daß ihrer drey auf dem Platz blieben. Der das Pferd mit dem Schatz führete, war unterdessen eine gute Ecke voran kommen, aber Siegfried holte denselben mit seinem guten Pferde bald ein, und machte denselben mit geringer Mühe auch caput. Als er sich nun wieder wendete, und vermeinete seine schöne Florigunda, wo er sie wartend gelassen hatte, wieder anzutreffen, siehe, da hatten sich die flüchtigen Mörder indessen wieder gewendet, und dieselbe zur Beute davon geführet. Wie der Ritter solches vernahm, säumete er sich nicht lange, ließ das Pferd mit dem Schatz lauffen, wohin es wolte, und eilete der stätte zu, wo er seine schöne Florigunda gelassen hatte, damit er auf den Hufschlag des Pferdes kommen möchte, denn Florigunda ihr Pferd war künstlich von den Zwergen beschlagen, daß er den Hufschlag gar wohl kennen kunte. Als er nun denselben vernahm, eilete er in vollen Sporenstreich denselben nach, und traff die Mörder in einem dicken Gesträuche wieder an, setzte in grimmigen Zorn unter sie, und machte sie alle darnieder biß auf einen, dann er lieff in einen Morast biß an den Hals, da wolte sich Siegfried um denselben nicht weiter bemühen, sondern sprach zu ihm: Wann dir jemand zu handen kommt, so sprich zu ihnen, daß du den gehörnten Siegfried, der die schöne Florigunda von den Drachenstein errettet hat, gesehen hast, und daß er deine zwölff Mitgesellen geputzet, daß ihnen der Bart nimmer wachsen wird. Damit ritte er mit seiner schönen 32a Florigunda davon. Im Rückreiten sprach er zu ihr: Allerschönste, wie hat euch diese Kurtzweil gefallen? Mein vielwerther Ritter, antwortete sie, wann das Kurtzwiel ist, wer wolte dan im Ernst mit euch fechten oder kämpffen. Indem kamen sie an den Ort, da der Streit zuerst ergangen war, da fragte die Jungfrau den Ritter, und sprach: Mein edler Ritter, habt ihr das Pferd mit dem Schatz nicht wieder angetroffen? Ja, sagte der Ritter, Allerliebste, ich hab es dem Bösewicht wieder abgejaget, und ihm so viel gegeben, daß er keines Geldes mehr bedarff. Wie ich aber wieder zurück kehrte, und euch, meine Allerschönste, an diesem Ort nicht wieder antraf, da vermerckte ich bald Unrath, und zwang mich die große Liebe zu euch, daß ich des Schatzes wenig achtete, ließ das Pferd mit demselben lauffen, und gab gar genau Achtung auf eures Pferdes Huffschlag; weil ich nun denselben bald vermerckte, eilete ich den, so schnell ich kunte, nach, euch, meine Allerschönste, zu erretten: Was fragte ich nach dem gefundenen Schaz, ihr, meine Allerschönste, habt mich viel mehr gekost. Ey, sagte die schöne Florigunda, so wollen wir uns um des willen nicht weiter in Gefahr geben, das Pferd mit demselben wieder zu suchen. Der Ritter gedachte, weil ich nur acht Jahr leben soll, was nutzt mir derselbe, und ritten beyde mit einander fort, und kamen an den Rhein.

Wie Siegfried und die Jungfrau Florigunda gen Worms kamen, wie Er empfangen wird, und wie sie beyde Hochzeit machen.

32b Wie nun König Gibaldus und seine Gemahlin Kundschafft erlanget, daß ihre Tochter Florigunda von dem Drachenstein erlöset, und sie nunmehr mit dem Ritter Siegfried auf der Reise, und nicht weit mehr von dannen wäre, ließ der König die gantze werthe Ritterschafft und den löblichen Adel aufbieten, damit sie seiner Tochter, und dem Ritter gebührende Ehre anthäten, ihnen entgegen ritten, und mit grossem Gepränge einholeten, und künfftig der Hochzeit beywohneten. Dann der König konte solches dem Ritter Siegfrieden nicht abschlagen, weil er seine Tochter mit grosser Gefahr seines Lebens so theuer erworben hatte.

Da solte man nun eine Pracht gesehen haben, mit welcher stattlichen Ordnung sie eingeholet worden. Dieselbe aber zu beschreiben, würde viel zu lang werden. Ja, es kamen Kayser, Könige, und funffzehn Fürsten da, unter welchen auch König Sieghardus, Siegfriedens Vater, war, die Ritterschafft und Adel ohne Zahl, welche alle wohl empfangen, ehrlich gastiret und bewirthet worden, wie solches an Königlichen Höfen in dergleichen Begebenheiten mannierlich oder üblich ist. Was für grosse Freude Vater und Mutter ob dieser glücklichen Wiederkunfft hatten, ist gar leicht zu gedencken. Da ward der Ritter Siegfried und die schöne Florigunda in die Haupt-Kirche geführet, und mit grossem Gepräng in Gegenwart aller anwesenden Kayser, Könige, Fürsten, Ritter und Adel, von dem Bischoff zu Mayntz copuliret und getrauet. Solches könte gar schön und mit vielen Umständen heraus gestrichen wer-33aden, aber es würde viel zu lang werden, und uns Zeit und Weile mangeln. Nun währet die Hochzeit vierzehn Tage, darnach hielt man allerley Ringelrennen, Thurnier und Stechen, und was sonsten zum Ritterspiel gehöret.

Solches alles zu beschreiben, ist nicht mein Vorhaben, die Historie damit zu verlängern, ist auch unnöthig, sintemahlen dergleichen Ritterspiele in vielen Historien beschrieben.

Nur dieses ist zu wissen, daß Siegfried den Preiß überall davon getragen, welches seinen Schwägern, den dreyen Königen, nicht zum besten gefiel. Dann sie warffen einen heimlichen Haß auf ihn, und sprachen: Er träget alle Tage Ring und Wapen, damit stoltziret und pranget er gleichsam, als wann er allein der Held wäre, macht also im gantzen Land uns andern geringschätzig, das soll ihm noch übel bekommen.

Wie aber der Haß und Neid endlich ausgebro-33bchen und ins Werck gerichtet, werden wir hernachmahls hören, zuvor aber noch eine kleine Kurtzweil mitnehmen, welches eines der allerpoßirlichsten stücklein, so auf Siegfriedens Hochzeit vorgegangen, wie man bald mit Lust hören wird.

Was vor einen kurtzweiligen Kampf Jorcus und Zivelles auf Siegfriedens Hochzeit um Leib und Leben gehalten.

Ehe wir aber den Kampff beschreiben, müssen wir zuvor von dem König Gibaldus und einen Bauren reden, und verhält sich also: Der König Gibaldus hatte sich einsmahls auf der Jagd verirret, da halff ihm ein Bauer, Nahmens Jorcus, bey später Nacht wieder zurecht, und zeiget ihm den Weg, darum hatte der König diesen Bauren begnadet, und zu einem Oberverwalter über sein Vieh gesetzt, und wohnte zunechst bey des Königs Gibaldi Schlosse oder Pallast. Dieser Jorcus war so verzagt und blöder Natur, daß er vor einen blossen Degen wol in die Erden, wenns müglich, gekrochen wäre.

Nun war ein Edelmann an des Königs Hofe, derselbe war ein poßirlicher und verschlagener listiger Schalck, der manche Kurtzweil zu Wege zu bringen wuste, derselbe redete mit dem Bauer Jorcus, und bildete ihm steiff und feste ein, daß jetzo solche gute Gelegenheit obhanden, sich bey dem König bedient7 zu machen, als er sein Lebtag wünschen möchte. Dann, sagte er, es ist unter diesen anwesenden fremden Fürsten einer, der hat einen Soldaten bey sich, mit Nahmen Zivelles, derselbe 34a ist so verzagt, daß man ihn mit einer Blase mit Erbsen verjagen möchte, den fordere heraus zum Kampff auf Leib und Leben.

Wann er dieses hören wird, so wird er dir vor Schrecken nicht kommen, alsdann hast du schon Ehre genug. Oder da er ja kommen würde, wird er doch, so bald er dich gewapnet siehet, vor Furcht die Flucht geben, so kommstu zu grosssen Aemtern beym König, dessen versichere dich. Der Bauer ließ sich überreden, und sagts dem Edelmann zu, er wolte den Soldaten fodern lassen.

Wie nun der Edelmann sahe, daß er den Bauren dazu bewogen und behertzt gemacht hatte, ging er zum König, und offenbahrte ihm solches, und bat, Ihro Majest. wolle doch diese Kurtzweil erlauben, dann er wolle schon dafür seyn, daß keiner keinen Schaden bekommen solle. Der König gedachte, weil seine Tochter nun viel Jahr groß Ungemach ausgestanden, er wolle sie mit dieser Kurtzweil, wie auch Siegfrieden und den anwesenden Herren eine Ergötzlichkeit gönnen, und erlaubts dem Edelmann, ins Werck zu stellen.

Da gieng der Edelmann hin zu dem König Sieghardus, begrüssete denselben, und bat, er wolle doch seinen Willen drein geben, dann er hätte eine kleine Kurtzweile vor, einer Comödia nicht unähnlich, dieses soll dem jungen König und seinem Sohn und allen anwesenden Herren eine besondere Ergötzlichkeit verursachen. Wie nun der König fragte, was es sey, sagte er: Ihro Majest. wissen, daß mein Herr der König den Jorcus bey sich hat, der ist so verzagt, daß er vor einem blossen Gewehr 34b wohl in die Erde kröche, denselben habe ich überredet, er soll E. Maj. Soldaten, den Zivelles ausfodern, und weil sie alle beyde furchtsam, wird es eine lustige Comödia abgeben. Der König gab seinen Willen auch drein, und sagte, dafern man nur meinen Zivelles darzu bereden kan.

Der Edelmann bedanckte sich freundlich gegen Ihro Maj. und gieng selber zu dem Zivelles, und brachte seine Rede mit vielen Umständen geschmücket, hervor, darnach sagte er, daß er zu keinem andern Ende darkommen sey, als daß er ihm anbringe, wie daß ihm Jorcus auf den morgenden Tag auf Leib und Leben zum Kampf ausfodere. Dieser erschrack über alle masse, daß er gantz erblassete, und zitterte, und gab mit stammlender Zunge zur Antwort: Ich habe mit ihm nichts zu thun, wie kömmt er denn darzu, daß er mich fodern lässet? Der Edelmann sagte: es sey ihm, wie ihm wolle, einmahl hält er euch vor keinen redlichen Kerl, ihr kommt ihm denn auf dem Kampff-Platz mit guter Rüstung wohl versehen, dann er will euer allda warten, damit ging der Edelmann wieder seiner Wege.

Wie nun der König und seine Leute sahen, daß Zivelles so sehr erschrocken war, redeten sie ihme ein Hertze ein, daß er sich endlich resolvirte, den Kampf anzunehmen. Ruffete derowegen den Edelmann wieder, und sagte zu ihm: Mein Freund, ich will mich bis morgen bedencken. Also gieng er mit dieser Antwort zu seinem Bauren, der sich sehr erfreuete, daß ers ihm nicht alsbald zugesagt hatte, denn er gedachte, er würde ihm nimmermehr kommen, weil er verstanden, daß er so erschrocken.

35a Am Morgen aber redeten des Königs Sieghardus seine Leute mit Zivelles, und sagten: Es wäre ihm eine ewige Schande, wann er den Kampff ausschlüge, er solte es nur kecklich wagen, dann sie hätten wol gehöret, daß Jorcus ein verzagter Kerl wäre, so bald er nur einen blossen Degen sehe, würde er nicht warten, sondern bald die Flucht geben.

Zivelles ließ sich überreden, und schickte frühe Morgens zu dem Bauren, und ließ ihm sagen, daß er um 1. Uhr Nachmittag auf dem Kampffplatz in guter Rüstung zu Pferde erscheinen wolle, und wolte ihm lehren, wie er einen redlichen Cavalier ausfodern solte.

Wiewol es mir, (sagte er,) als einem versuchten Soldaten nicht wohl anstehet, mit einem groben Bauerflegel zu schmeissen, dennoch will ich dir lernen, daß du es ein andermahl nicht mehr thun solt.

Also wurden sie beyde mit Rüstung wohl versehen, und kamen auf bestimte Zeit auf den Kampff-35bPlatz. Da möchte ich wünschen, daß alle, die dieses lesen, selber da gewesen, und dieser Kurtzweile zugesehen hätten. Denn so bald Jorcus, der Bauer, auf den Kampffplatz kam, sahe er sich auf allen Seiten um, an welchem Ende er zum füglichsten ausreissen möchte, und verfluchte den Ort des Kampffplatzes, weil er denselben so wohl verwahret sah. Dann an dreyen Orten war er mit hohen Brettern umgeben, und die Pforten wurden alle versperret, also, daß ein jeder aushalten muste. Als nun Zivelles, der Soldat, den Jorcus ansichtig ward, und daß er ein so muthig Pferd hatte, fehlte es wenig, er wäre ausgerissen, wenn er nur gekont, und war schon willens, sich dem Jorcus zu ergeben. Gleicher Meinung und Gedancken war Jorcus auch.

Indem theilten die Ritter den Kampffplatz in gleiche Theile, und liessen die Trompeten blasen.

Als nun Jorcus sein Pferd die Trompeten hörete, kunte es nicht länger warten, weil es Siegfriedens Pferd, und des Thurnierens wohl gewohnet war, fieng damit an, und lieff so schnell dahin, wie ein Pfeil. Jorcus hätte es gern auffgehalten, aber es war vergebens, dann es lieff die gewohnte Bahn in vollem Lauff zu Ende. Da ward er gezwungen die Lantzen fallen zu lassen, und hielt sich mit beyden Händen an des Pferdes Kamm, daß er nicht herunter fiel. Indessen schmissen diejenigen an des Zivelles Seiten mit Zwickruthen auf sein Pferd, daß es auch in den Gang kam. Der legte alsbald seine Lantze, ehe es noch Zeit war, ein; es triebe ihm aber der Wind dieselbe auf eine Sei-36ate, daß er den Jorcus ohne sein Wissen damit berührte. Und weil derselbe ohne dem kümmerlich in dem Sattel hieng, fiel er herunter zur Erden. Zivelles, der solches nicht inne ward, ließ sein Pferd biß zum Ende der Rennbahne auslauffen.

Indem er nun sein Pferd umwendet, siehet er den Jorcus dort an der Erden liegen, da gedachte er, nun ist es Zeit, daß du deinen Feind vollends den Rest giebest, und ihm mit dem Pferde den Kopff zerknirschest, und mit der Lantzen, weil das Eisen noch dran ist, durchstossest. Indem er sich aber zu ihm nahete, machte sich Jorcus allmählig auf die Beine.

Wie er nun bey ihm kam, fiel sein Pferd unter ihm nieder, was die Ursach, kann ich eben nicht wissen, ob er mit der Lantzen, die er allezeit niedrig hielt, dem Pferde zwischen die Beine kommen, oder ob Jorcus mit seinem Aufstehen dem Pferde hinderlich war. Dem sey wie ihm wolle, einmahl fiel es mit ihm nieder.

36b Da gedachte Jorcus: Jetzo ist es Zeit, ein Ritter an deinem Feinde zu werden, und hieb so grimmiglich von ferne auf ihn zu, als ob er denselben zustücken wolte.

Aber das Pferd spartelte so grausam mit den Füssen, daß er ihm nicht beykommen konte. Wie aber das Pferd sich endlich aufarbeitet, und auf seine Füsse zu stehen kam, strampffet, schnaubet und schlägets so grausam um sich, daß der gute Jorcus sich besorgte, es möchte ihn treffen, flohe demnach voller Furcht von dannen.

Indessen hatte Zivelles Weile bekommen, sich wieder aufzurichten, und sich auf seine Füsse zu machen. Aber sein Leib war ihm dermassen zerbettet und zertreten, daß er voller Furcht und Zittern gedachte sich seinem Feind zu ergeben. Damit ziehet er seinen Degen aus, in willens, denselben bey der Spitze fassend, dem Jorcus zu präsentiren. Gleicher Meinung war auch Jorcus, sich seinem Feind zu ergeben. Wie nun der Zivelles mit blossen Degen daher kommt, sich zu ergeben, gedencket Jorcus, das wird nicht wohl ablauffen, nun wirstu Haar lassen müssen, und fliehet so schnell und weit, als er immer kan.

Als Zivelles dieses gewahr wird, will er an seiner Victorie noch nicht gäntzlich verzweifeln, sondern fasset wieder ein Hertz, und verfolget seinen Feind so gut, als ein verzagter immer kan, schlägt mit vollem Grimm auf ihn, der dann, so bald er die Streich fühlte, überlaut schrie, und bat ihn, einzuhalten, oder er wolte es dem Könige Gibaldus und Siegfrieden klagen. Wie er aber noch nicht 37a nachlassen will, wich er zurück, so weit er immer konte. Wie er nun biß an das Wasser kommen war, also, daß er nicht weiter zurück kunte, da ward ihm seine Furcht gedoppelt. Dann er gedachte, weichst du weiter, so mustu im Wasser ersauffen, gehestu dann vor dich, so mustu unter deines Feindes Waffen sterben, so schämete er sich auch, sich seinem Feind zu ergeben, in Betrachtung, wenn er sich recht vorgesehen, er seines Feindes Meister hätte werden können. Diese gesammte Angst verursachte eine gäntzliche Verzweiflung bey ihm.

Darum beschloß er endlichen bey sich, nunmehr festen Fuß zu halten weil es ja nicht anders seyn konte, und fasset damit seinen Degen in beyde

Hände, und druckte die Augen feste zu, fieng an so grimmiglich um sich zu hauen und zu schmeissen, daß Zivelles die Flucht mit Schrecken nimmt, und schrie überlaut: Laß mich leben, laß mich leben, so will ich mich dir ergeben, dann er bildete ihm ein, 37b er hätte schon viel Wunden empfangen, da er doch noch keine bekommen hatte.

Wie nun Jorcus das Geschrey höret, thäte er die Augen wieder auf, und siehet, daß sein Feind weit von ihm gewichen ist, da faßte er wieder einen Muth, und verfolgete seinen Feind als er immer konte. Da schrie Zivelles noch sehrer: Schenck mir das Leben, ich will mein Lebtag nicht daran gedencken, mich an dir zu rächen. So wirff dein Gewehr von dir, sagt Jorcus. Dieser arme Tropff thät bald, wie ihm befohlen war, und warff sein Gewehr von sich.

Wie nun Jorcus seinen Feind gantz wehrlos sahe, hätte er ja nichts zu befürchten gehabt, gleichwohl trauete er nicht, sondern sagte zu ihm: Hebe dich weit von mir, und lege dich auf die Erde nieder. Dieser gehorchte abermahl der Stimme seines Feindes, und lieff fern von dannen, und legte sich gantz ausgestreckt auf die Erde nieder, und regte keinen Finger, und erwartete wie ein Lämmlein sein Ende.

Da gedachte Jorcus, er könte doch nimmer vor seinem Feind sicher seyn, wann er ihm beym Leben liesse. Besann sich demnach, wie er ihm am füglichsten beykommen möchte, und sprach bey ihm selber: Gehestu mit dem Degen zu ihm, so möchte er sich aufrichten, und dir denselben aus der Hand reissen. Ließ sich demnach bedüncken, es würde kein besser Mittel seyn, als ohne Degen zu ihm gehen, und ihm auf die Brust knien, und mit seinem grossen Messer, daß er bey sich hatte (damit er die Kühe pflegt abzustechen,) die Gurgel abschneiden.

38a Wie er nun das Messer unter seiner Rüstung hervor sucht, und die Richter sein Beginnen inne worden, kamen sie dazwischen und hiessen den Jorcus einhalten, und sich mit Victori vergnügt seyn lassen.

Dann solch Beginnen, da schon der Feind überwunden, wäre der Waffen-Ordnung schnurstracks zuwider. Jorcus ließ seinen Feind, weil er ihn überwunden, ungern aus seinen Händen. Doch muste er sich ihren vernünfftigen Reden gemäß halten, weil sie ihm daneben zusagten, daß Zivelles nimmermehr sich wider ihn auflehnen solte.

Also ließ Jorcus den Zivelles wieder aufstehen, und gebot ihm, er solte sich ein andermahl besser bedencken, und vorsehen, mit wem er zu thun hätte.

Also ward hiemit dieser kurtzweillge Kampff der beyden Hasen geendiget, und war jeder froh, daß er mit dem Leben davon kommen war. Dieses war eines der lustigsten Stücklein auf Siegfriedens Hochzeit, und könten derselben mehr eingeführet werden, es würde aber zu lang werden, wollens also bey diesen bewenden lassen.

Wie Siegfried mit seiner schönen Florigunda gelebet, und wie es ihm endlich ergangen und umkommen ist.

Wie nun die Hochzeit und alle Ritterspiel ihre Endschafft erreichet, da kehrte ein jeder wieder heim. Da gab ihnen Siegfried das Geleite so sicher und wohl, daß man hätte ohn alle Gefahr mögen Gold auf dem Haupte tragen.

38b Wie nun die drey Schwäger, als Ehrenbertus, Hagenwald und Walbertus, der Florigunda leibliche Brüder, den Siegfried feind waren, darum, daß er den Preiß vor ihnen in Thurnieren und Stechen davon getragen, und deßwegen hoch angesehen und gerühmet ward, trachteten sie heimlich darnach, wie sie ihn möchten tödten. Konten aber nicht eher Gelegenheit finden, biß acht Jahre um waren, wie der Zwerg Egwald dem Siegfried zuvor propheceyet, wie wir schon gehöret.

Siegfried lebte mit seiner schönen Florigunda in gutem Fried und Ruhe, zeugte mit ihr einen Sohn, den nennet er Löwhardus, was derselbe vor Kriege mit den Suldan, und den König von Babylonia geführet, und was für grosse Ebentheur und Gefahr derselbe ausgestanden, und wie er endlich des Königs von Sicilien8 bekommen, ist anderweit beschrieben.

Wie sie nun acht Jahr in stoltzem Friede gelebt, begab sichs eines Tages, daß Siegfried und seine Schwäger mit ihm auf die Jagd ritten, dazu denn Siegfried sehr geneigt war. Weil aber derselbe Tag sehr heiß, und Siegfried sich sehr erhitzet, begiebt er sich zu einen Brunnen in dem Ockerwalde, leget sein Angesicht in denselben, sich zu erkühlen. Das ersiehtet sein Schwager, der grimmige Hagenwald, und gedencket bey sich selber: Diese Gelegenheit begibt sich nicht alle Wege, die mustu nicht versäumen, dann diese ist die rechte Zeit, dich an deinem Feind zu rächen. Nimmt sein Rappier, und stösset den Siegfried zwischen die beyden Schulter, da er fleischern und nicht hörnig war, 39a hinein, daß die Spitze biß an die Brust hinein gieng, daß er davon zur Stund todt blieb. Also muste der theure Held, dessen Tugend, Krafft, Stärcke und Mannheit in der Welt nicht mehr zu finden, so schändlich und mörderischer weise um sein noch junges Leben kommen. Dessen Tod aber ist hernachmahls wohl gerochen worden.

Als nun Siegfriedens Gemahlin ihres Herrn des Königs Tod berichtet ward, fiel sie vor grossem Leid und Kummer in eine grosse Kranckheit, daß auch die Aertzte an ihr verzagten: Da das der König Gibaldus, ihr Vater, erfuhr, fiel er vor grossem Leid in eine tödtliche Kranckheit, daß er daran muste des Todes sterben. Da war Leid über Leid, dann des Königs Gibalde Gemahlin legte sich ebenmäßig zu Bette, und starb an einem viertägigen Fieber, und wäre kein Wunder gewesen, wann die schöne Florigunda auch vor Leid gestor-39bben, aber es muste noch nicht seyn, denn Siegfriedens Tod muste erst gerochen werden, dazu denn Siegfriedens Gemahlin behülfflich war. Da nahmen die drey Söhne den König Gibald und sein Gemahl, ihren Vater und Mutter, und bestatteten sie nach Königl. Würden zur Erden, wie es ihnen wohl geziemet. Drauf wolten sie das Reich einnehmen und besitzen, es fehlte ihnen aber, wie ihr bald hören werdet.

Unterdessen war es mit Siegfriedens Gemahlin etwas besser worden, wie sie nun vermeynet starck genug zu seyn, zog sie in aller Stille mit ihrem Sohn Löwhardus in die Niederlande zu ihrem Schwieger-Vater, dem König Sieghardus, klagte demselben ihre Noth, und die Mordthat ihres liebsten Gemahls seines Sohns. Als nun König Sieghardus solches mit Schmertzen vernommen hatte, ergrimmet er über die maassen, und ließ in seinem gantzen Lande die werthe Ritterschafft und den löblichen Adel aufbieten, und sammlet in schneller Eil eine unzählige Menge auserlesenes Krieges-Volck zusammen, und überzog damit die drey Gebrüder, und rächet an denselben seines Sohnes Tod rechtschaffen. Dieser Krieg hat viel tausend Helden ihr Leben gekostet, und ist darinn der grimmige Hagenwald wiederum schändlich um sein Leben kommen. Dann er sich dem verzagten Soldaten Zivelles ergeben, in Meynung, Barmhertzigkeit zu erlangen, vermeynet auch bey demselben viel sichrer zu seyn, als bey einem andern behertzten Soldaten, welches aber 40a weit gefehlet. Dann dieser Zivelles nahm seiner Schantz gewahr, denn als Hagenwald eingeschlaffen war, nahm er seinen Degen, und stieß ihn durch seinen Leib, daß er zur Stund todt blieb, und saget: Wie du meines grädigen Königs Sohn Siegfrieden gethan, habe ich dir wieder vergolten, und ist dir wieder mit dem Maaß gemessen, womit du gemessen hast.

Die andern zwey Brüder, als Ehrenbertus und Walbertus sind von Land und Leute ins Elend verjaget, davon Löwhardus, Siegfriedens Sohn, den jüngsten, als er auf der Reise nach Sicilien begriffen gewesen, in einem Wald winselnd und wehklagend angetroffen, wie solches in Löwhardi Historie zu lesen.

Der verzagte Zivelles ward auch wieder erschlagen, Jorcus, der Bauer, kam auch in diesem 40b Krieg um. Und das zu beklagen, so muste die schöne Florigunda auch ihren Geist aufgeben. Sonst wolte König Sieghardus dieselbe zur Königin in ihr eigen Land wieder eingesetzet haben, davon sie sonst die andern Brüder verstossen wolten. Löwhardus, Siegfriedens Sohn, blieb bey seinem Groß-Vater Sieghardus am Hofe, und ward daselbst in aller Gottesfurcht und Ritterlichen Tugenden auferzogen, daß ein braver Held aus ihm ward, wie seine Historia zur Gnüge bezeiget.

Ende.


1 „um“ in den übrigen Drucken.

2 an einem.

3 Streich.

4 die andern drucke: „traf“ oder „gab“.

5 Die meisten Drucke lesen „neun“. Vgl. oben S. 41 die Anm. zu Bild XIX. Weiter unten auf S. 83 in von 60 jungen Drachen die Rede.

6 Hier ist im Drucke von 1726 etwas ausgefallen. Die andern lauten: und wäre gewis todt blieben.

7 die andern drucke verdient.

8 fehlt „Tochter“.

Распознанный текст из: Das Lied vom Hürnen Seyfrid nach der Druckredaktion des 16. Jahrhunderts. Mit einem Anhange: Das Volksbuch vom gehörnten Siegfried nach der ältesten Ausgabe (1726) herausgegeben von Wolfgang Golther. Zweite Auflage. Halle a. S. Verlag von Max Niemeyer 1911, S. 61–99. http://www.nibelungenrezeption.de/literatur/texte.html

Сканы народной книги о Роговом Зигфриде (Das Volksbuch vom gehörnten Siegfried) 1726 года https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN1009165194

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© Tim Stridmann